Kunstexamen lief im Molkereikeller

Die Künstlerin Susanne Litz stellt in der Galerie Simulakrum aus

VON STEFANIE MITTENZWEI

MAINZ. Das Examen fand im Keller einer ehemaligen Molkerei in der Mainzer Neustadt statt. Umgeben von sechs Videomonitoren stellte sich die Studentin einer Reihe von Fragen ihrer beiden Professoren - und schnitt mit "sehr gut" ab. So außergewöhnlich wie diese Prüfungssituation ist die Examensarbeit: Susanne Litz, Künstlerin aus Mainz, zeigt sie jetzt in der Galerie Simulakrum - dort, wo früher Milch pasteurisiert wurde.

"Kein Entrinnen" heißt die Videoinstallation, die dadurch besticht, daß sich formale Strenge und inhaltliche Auseinandersetzung in ihr paaren. Aus der weißen Wand wachsen sechs in Metall gekleidete Bildschirme. In den Kästen sind Vögel gefangen. Meisen bewegen sich im Rahmen des Monitorausschnittes. Die Perspektive ist ungewöhnlich und fängt die Vögel zumeist von unten ein. Selten ist einer formatfüllend zu sehen. Vielmehr krallen sich die Tiere an den Bildrand, scheinbar auf der vergeblichen Suche nach einem Ausgang. Dann verschwindet eines aus dem weißen Käfig, um unvermittelt zurückzukehren. Der Raum wird erfüllt von tschilpenden Rufen. Auch wenn die kleinen Vögel mit ihrem bunten Gefieder possierlich wirken, so kann man sich doch nicht an ihnen erfreuen, zu deutlich bringen sie das Gefühl des Gefangenseins herüber.

Für Susanne Litz, die zur Zeit auch im Landesmuseum im "Museum der Medien" dabei ist, ist der Film nicht das wichtigste, sondern das Objekthafte der Installation. Große Mühe hat ihr die Herstellung der Ummantelung für die Monitore bereitet. Als schlichte Kuben sind sie jetzt ohne Stützen an der Wand befestigt. Die Vogelaufnahmen entstanden in einem Garten, wurden aber anschließend verfremdet. "Ich habe die Farben digital bearbeitet und die Aufnahmen in einer bestimmten Reihenfolge geschnitten", erklärt die Künstlerin. So entstand der Eindruck, daß es "kein Entrinnen" geben kann.

Mit Videoinstallationen

Im Obergeschoß hat sie zwei weitere Arbeiten aus früheren Jahren installiert. Zwei Bildschächte sind waagerecht schwebend an die Wand montiert. In Augenhöhe wird auf eine Milchglasscheibe ein Dia pojiziert: eine große flimmernde Iris mit Pupille schaut den Betrachter an. Das Bild hat etwas Botanisches, wirkt eher blütenhaft als menschlich. Im nächsten Raum sind drei Porträts, Schwarzweißfotos, an die Wand geheftet. "Auch hier ist mir der Blick am wichtigsten", sagt Susanne Litz. In einer Ecke hängen Bilder von Füßen im Sonnenlicht. Annäherungen an das eigene Ich. Die beiden Arbeiten entstanden bereits 1991 und 1992. Die neue Videoinstallation geht über das äußerlich Faßbare hinaus, befaßt sich mit Innenwelten, mit Seelenzuständen.

Susanne Litz, die am Mainzer Fachbereich Kunst in der Filmklasse studierte und erste wichtige Ausstellungsstationen vorzuweisen hat, wurde auch mit einigen richtungsweisenden Auszeichnungen für ihre Arbeit bedacht. Sie will als Künstlerin arbeiten. Allerdings hat sie bereits erfahren, daß selbst solche Institutionen, die ihr Preise zusprachen, sich in einer Hinsicht schwertun mit ihrer Kunst: Videoinstallationen wollte bislang niemand ankaufen. Es ist verrückt: Kunstsammler scheuen vor der modernen Technik zurück, obwohl gerade sie unsere Zeit bestimmt wie nichts anderes. Künstler, die nicht abgeschottet im stillen Kämmerlein arbeiten wollen, müssen sich ihrer bedienen und sich mit ihr auseinanderzusetzen.

Õ Die Ausstellung "Kein Entrinnen" in der Galerie Simulakrum, Nackstraße 12 (Hof), dauert bis zum 28. Juli, geöffnet nach Vereinbarung: Telefon 06131 / 672479 (Galerie) oder 06131 / 320314 (Litz). Finissage am 28. Juli von 11 bis 13 Uhr.


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